Im April habe ich einen Kurs zur Positiven Psychologie begonnen. Angesetzt auf 6 Wochenenden.
Zu Beginn unseres Kurses „Positive Psychologie“ wurde uns vermittelt, dass Lernen der ABC-Regel folgen soll:
Attitude – Einstellung
Behaviour – Verhalten
Content – Inhalt
Jedes Wochenende gab es zahlreiche Übungen zu unterschiedlichen Teilbereichen oder besser gesagt Überschriften. Dazwischen viel langweiliges Powerpoint und wenig Inhalt.
Im Rückblick ist mir eines deutlich geworden. Betreutes Üben zahlt zwar auf A und B ein, doch C wurde kaum befüllt. Außer Schlagwörtern und Bullet-Points auf Powerpoint-Folien gab es keine wirklichen Erläuterungen, keine Herleitungen, keine Einordnungen, kaum Verweise auf Quellen.
Trotzdem hat sich der Kurs für mich gelohnt.
Ich habe viele tolle Frauen kennengelernt, die mich so akzeptiert haben, wie ich bin. Nach anfänglichen Unsicherheiten war ich einfach eine weitere Frau in diesem Kurs. Und es waren nur Frauen – außer dem Trainer.
Wir hatten Spaß miteinander, haben uns angefreundet und auch schon nach Kursende verabredet.
Ganz ungeplant stellte ich bei meiner Ankunft in London fest, dass gerade Pride-Week ist.
Aber erstmal in ein Pub und ein Pint trinken. Dazu – nach langer Wartezeit und zweimaligem Reklamieren – Fish&Chips.
Sogar der Himmel spielte mit:-)
Und dann tatsächlich ein unschönes Erlebnis. Bei Marks&Spencer – Schaufenster ganz rechts! – wollte ich einige Teile anprobieren: „No man allowed here!“ war die Ansage der Verkäuferin. Ich sollte tatsächlich mit den ganzen Klamotten in den zweiten Stock, um sie in der Herrenabteilung anzuprobieren. Ich habe sie überzeugt, dass das so nicht geht und sie wies mir dann eine Kabine zu, aber eigentlich hätte ich mir das Anprobieren sparen können. Denn irgendwie war die Lust etwas zu kaufen dahin.
Die neue Skulpturensammlung in Southwark hat mich fasziniert.
Zum ersten Mal nepalesische Küche. Sehr schmackhaft.
Dann mit dem Eurostar wieder zurück in die Heimat. Und Corona im Gepäck. Eingefangen im ICE von Frankfurt nach Erfurt. Mit Maske.
Das hielt mich/uns aber nicht davon ab, im August wieder loszufahren.
Nach der Reise nach Kopenhagen im April ging es im Jahr 2022 und zum Jahreswechsel 22/23 weiter mit diversen Reisen.
Ende Juni, Anfang Juli waren wir gemeinsam in Liverpool, Manchester, Coventry, Oxford und auf dem Land dazwischen mit Auto und Bahn unterwegs. Zweimal im Sterne-Restaurant und mehrfach in schönen Pubs.
Und natürlich Afternoon-Tea. Hier bei Selfridges in Manchester.
Geburtsdinner in Liverpool ganz oben. (Nicht mein Geburtstag!)
Über Tissington hatten wir kurz vor Abreise einen Fernsehbericht gesehen. Und hatten ganz in der Nähe bei Ashbourne für zwei Nächte reserviert. So sind wir bei schönstem Sommerwetter nach Ashbourne gefahren und dann nach Tissington spaziert. Ein wahrhaft fernsehtaugliches englisches Dorf mit einem Landadeligen, der über alles wacht.
Coventry kann einem aufs Gemüt schlagen und gleichzeitig Hoffnung machen, was entstehen kann.
Sagte ich schon: „Ich liebe Afternoon-Tea!“ Hier im Bicester-Village. Einem riesigen Outlet-Center.
In Oxford. Mit vielen Neu-Studenten, die gerade die Houses bezogen. Weshalb manches gesperrt war, was man sonst besichtigen kann. War aber auch so genug für einen Tag.
Zum Abschluss der gemeinsamen Tage nochmal Sterneküche im Nut Tree Inn. Es war toll!
Am nächsten Tag flog meine Ehefrau wieder nach Hause und ich weiter nach Süden.
Die letzten beiden Tage waren unfassbar beglückend und emotional bereichernd.
Gleichzeit anstrengend an der Grenze zur Überforderung.
Positive Psychologie
Darum ging es im Seminar bei der ABB in Pößneck. Und neben interessanten Einblicken in dieses Thema und spannenden Übungen und Interventionen bekam ich ein nicht erwartetes Maß an Zuwendung von allen Teilnehmern.
Alle – Männer und Frauen – haben mich von Anfang an herzlich aufgenommen, akzeptiert und integriert. Vom Jüngsten mit 21 Jahren, bis zur Zweitältesten, die mein Jahrgang ist.
Nach zwei Tagen, die wie im Flow vergangen sind, bin ich am Rande der emotionalen Überforderung tief beglückt und sehr müde nach Hause gefahren.
Fremde Welt
Für „Normalmenschen“ sind Transmenschen etwas ungewohntes und fremdes. Nichts, womit man sich beschäftigt im Alltag, solange es einen nicht betrifft. Ja, man hat davon gehört oder gelesen. Aber wir Nicht-Binären, nicht Rollenkonformen, Transpersonen sind letztlich doch so selten, dass es kaum eine Notwendigkeit gibt, sich damit zu beschäftigen. Viele in dieser „Community“ vergessen das nach meinem Eindruck leider viel zu oft.
Freundliche Fragen und ehrliches Interesse
Ich bekam, beginnend in der ersten Übung in kleiner Runde, viele Fragen gestellt. Manche kamen immer wieder, bis ich allen und jeder geantwortet hatte. Denn JA, ich habe die Fragen beantwortet, die mir mit ehrlichem Interesse und auch einer gewissen Ehrfurcht gestellt wurden:
„Seit wann weißt Du das?“
„Wird man so geboren?“
„Was sagt die Ehefrau und die Familie?“
„Wie ist das in der Öffentlichkeit?“
„Wie ist das, wenn Du nicht gerade in der Großstadt bist?“
„Bist Du körperlich denn noch ein Mann?“
„Willst Du das ändern?“
„Was passiert da alles in der Transition?“
„Wie hast Du denn als Mann geheißen?“
Ja, ich habe sie alle beantwortet. Und auf das Thema „Dead-Name“ hingewiesen, was großes Stirnrunzeln hervorgerufen hat.
Feedback
Als ich selbst am Ende Feedback zum Seminar gegeben habe, wurde ich von positiven Emotionen fast weggespült und war ganz nahe an den Tränen. So überwältigt war ich von der positiven Kraft, die ich hier erfahren durfte.
Das Feedback, das ich selbst bekommen habe: authentisch, kraftvoll, toller Mensch, glaubwürdig, liebenswert, …
Und dann noch…
Im Hotel wurde ich sehr freundlich behandelt. In der Innenstadt und im Bäckerei-Café habe ich mich wohl gefühlt. Und beim Abendessen in einer klassischen Gaststätte mit Riesenportionen Thüringer Küche wurde ich ebenfalls freundlich und ganz normal behandelt. Wie eine Frau eben.
Das ist ein Satz, den ich früh in meiner Coaching-Ausbildung gelernt habe.
Und über die Jahre meinen Klienten immer wieder gesagt habe. Jetzt, nach drei Jahren, seit ich mich entschieden habe, zu meiner individuellen Geschlechtlichkeit zu stehen, kann ich auch in diesem Fall sagen: „STIMMT!“
Doch Du musst nach der Entscheidung auch beginnen und stets weiter vorwärts gehen. Und ja, es gibt Widerstände – innere und äußere. Und ja, es gibt Unverständnis. Doch es wartet Selbsterfüllung, wahres Ich und Glück.
Endlich, nach zwei Coronajahren konnte ich wieder an Seminaren teilnehmen.
Das erste Mal „en femme“. Und was soll ich sagen. Es war einfach total entspannt. Ich habe mich als Wolftraut vorgestellt und alles war o.k. Ich habe mit allen anderen Teilnehmern in Gruppenarbeiten gut und harmonisch zusammengearbeitet. Egal ob Mann oder Frau, alt oder jung.
Die nächste Herausforderung wird sein, wenn ich im Herbst selbst Seminare in meiner weiblichen Persona leite. Ich bin sehr gespannt, wie die Teilnehmer reagieren werden. In Absprache mit den verantwortlichen Personen, die mich gebucht haben, wird außer meiner männlichen Business-Persona und den üblichen Informationen nichts vorher verlautbart. Es soll tatsächlich auch ein Test für Offenheit in Sachen Diversität und Gender-Neutralität werden.
Ich bin gerne und viel unterwegs. Auch zu Coronazeiten lasse ich mich ungern davon abhalten. Fernreisen sind leider schwierig und aufwendig, seit uns das Virus ereilt hat. Umso mehr bin ich in Deutschland und Europa unterwegs.
In Hamburg bin ich dank Zweitwohnung ganz regelmäßig und häufig.
Im vergangenen Jahr war ich in der Schweiz, konkret im Tessin und im Wallis. Außerdem einige Male in Österreich. Als ich nach Dänemark wollte, wurden gerade wieder die Regeln verschärft. Außerdem war ich in Berlin, München, Stuttgart, am Bodensee.
Jetzt habe ich es endlich wieder nach London geschafft. Gleich nachdem dort die meisten Einschränkungen gefallen sind. Endlich wieder ohne Maske shoppen, ins Museum oder ins Restaurant. Und wir haben es ausgiebig genossen.
Jetzt kam noch Kopenhagen auf die Liste für das erste Halbjahr 2022 und wir hattenn eine phantastische Osterwoche mit unglaublichem Sonnenschein. Und nach England geht es im Juni auch nochmal. Flug nach Liverpool, dann mit dem Auto Richtung Süden. Meine Frau fliegt zurück, ich bleibe noch, um ein Seminar zu leiten. Danach noch drei Tage London.
Auch auf Reisen, genau wie im Alltag, kleide ich mich fast ausschließlich en femme. Und damit mache ich so meine Erfahrungen. Zumal es ja die eindeutige Diskrepanz zwischen Körperlichkeit, Gesicht und Verpackung gibt. Wenn ich dann noch leichtes Make-Up trage, ist die Verwirrung komplett.
Im Hotel
Bisher nur gute Erfahrungen. Entweder eine neutrale Reaktion oder ein Kompliment. Andere Gäste reagieren gefühlt eher mit „ich seh nix“, um dann doch zu starren.
In Restaurants
Auch hier positive Reaktionen oder eine professionelle Gleichgültigkeit. Kellnerinnen und Kellner sind ja einiges gewohnt und durch wenig wirklich zu erschüttern.
In der Öffentlichkeit
Es gibt Menschen, die stehenbleiben und sich umdrehen. Es gab schon Situationen, dass jemand so überrascht war, dass er/sie fast gegen einen Laternpfahl gelaufen wäre. Und einmal hat sich eine Frau vor mir auf den Boden gelegt. O.k., sie ist gestürzt, weil sie offenbar so perplex von meinem Anblick war, dass sie die herausstehende Gehwegplatte übersehen hat.
Unterschiede nach Regionen, Ländern oder Größe einer Stadt kann ich bisher auch nicht bezeugen. Ich war in Kopenhagen und London. In Hamburg, Stuttgart, München, Flensburg. In Lindau, Bregenz und im Tessin, Wallis und in vielen Kleinstädten.
Komplimente
Ich habe in über vierzig Jahren Erwachsensein kaum jemals ein Kompliment für mein Auftreten, meine Kleidung oder einzelne Accessoires erhalten. Seit zwei Jahren passiert das regelmäßig. Und nicht nur in England, wo die Menschen grundsätzlich viel weniger Hemmungen haben, mit „I admire your…“.
Unschöne Erfahrungen
Ja, die gibt es auch. Wenn auch wenige. Und ich befürchte, es sind Erfahrungen, die Frauen häufiger machen und die Männer kaum nachvollziehen können.
Eine spezielle Kontrolle bei der Security am Flughafen zum Beispiel. Vor mir ein Typ mit abgerissener, ausgebeulter Hose und schweren Schnürstiefeln mit dicken Sohlen. Ging ohne Beanstandung durch. Ich musste meine eng anliegenden Stiefel ausziehen und mein bestrumpftes Bein wurde noch extra befingert. Als ob man unter Nylons noch eine Panzerfaust verstecken könnte.